Lichtsignale: Was A aus B erwartet

Es ist kein Geheimnis: Natürlich hätte ich als CSU-Oberbürgermeisterin gerne meine Partei mit in der neuen Bundesregierung gesehen. Die Wähler haben anders entschieden und die Union wird in den nächsten vier Jahren gute Oppositionsarbeit machen. Da bin ich mir sicher. 

Aber jetzt zu den Lichtsignalen aus Berlin, deren Sondierungspapier große Erwartungen geweckt hat. Viele Punkte, die dort aufgeführt sind, lesen sich richtig. Aber es kommt auf die konkrete Ausgestaltung an und dass diese nicht so einfach ist, lässt sich an den Mitteilungen ablesen, die uns aus den Koalitionsverhandlungen erreichen.

Es sind drei sehr unterschiedliche Partner, die sich aufgemacht haben, gemeinsam Verantwortung für unser Land zu übernehmen. Partner, die noch im Wahlkampf sehr unterschiedliche Ansichten, Meinungen und Ansätze nicht nur thematisch, sondern auch im Wettkampf um die meisten Stimmen vertreten haben.

Das ist die SPD, die seit 1998 mit einer einmaligen vierjährigen Unterbrechung ständig mit Teil der Bundesregierung war. Und nun sagt, dass mit ihr die Erneuerung des Landes vorangehen wird. Kühn. Kühner. Kühnert.

Und da sind die kleineren Partner, die Grünen und die FDP. Mit Programmen und Überzeugungen, die an so manchem Punkt nicht unterschiedlicher sein können.

Dass erfolgreiche Koalitionen geschmiedet werden können und auch müssen, die noch vor gar nicht allzu langer Zeit als unmöglich galten, erleben wir hier in Augsburg. CSU und Grüne. Für viele lange unvorstellbar. Dabei sind sich die beiden Parteien in vielen Punkten gar nicht so unähnlich, wenn man beispielsweise die Wichtigkeit der Bewahrung der Schöpfung oder – wie es die Grünen formulieren – Umwelt- und Klimaschutz betrachtet. Es kommt dann halt doch wesentlich darauf an, wie konstruktive Zusammenarbeit definiert wird. Wir, die schwarz-grüne Rathauskoalition, haben uns zu Beginn der Ratsperiode im Mai 2020 ein umfangreiches Arbeitsprogramm auferlegt. Sacharbeit statt Rangeleien auf Nebenkriegsschauplätzen. Und obwohl bislang über den gesamten 18 Monaten unserer schwarz-grünen Regierungszeit die Corona-Pandemie schwebt, wurden viele Punkte aus dem gemeinsamen Programm schon abgearbeitet oder begonnen.

Aber zurück zur großen Bundespolitik. Ich musste sehr schmunzeln, als ich den Verhandlungsplan der potentiellen Koalitionäre gesehen habe. Als ich den Verhandlungsplan der potentiellen Koalitionäre gesehen habe, fühlte ich mich sehr an den April 2020 erinnert und wie wir damals unsere Verhandlungen aufgesetzt haben: Mit thematisch definierten Arbeitsgruppen, besetzt mit schwarz und grün, mit Mitgliedern der neuen Fraktionen, aber auch mit Expertise aus den Parteien heraus. Aus diesen Erfahrungen weiß ich im Kleinen, wie hart in Berlin derzeit wahrscheinlich um Worte und Formulierungen gerungen wird, wo darüber diskutiert wird, welche Punkte die eigene Basis noch mitgehen wird und an welchen Stellen auch Grenzen sind, die nicht überschritten werden können. Und dabei schwebt über allem der Auftrag der Wählerinnen und Wähler und auch eine große Verantwortung für das Land.

Große Punkte werden aktuell in der Bundeshauptstadt verhandelt: Welche Rolle soll Deutschland in Europa und der Welt einnehmen? Wie ist zukünftig die Stellung unserer Bundeswehr? Wie hoch ist der gesetzliche Mindestlohn und welche Steuerreformen wird es geben?

Doch am Ende wird die Lebenswirklichkeit der Menschen im Land am unmittelbarsten vor Ort – also bei uns hier in den Kommunen – abgebildet und beeinflusst. Und deswegen habe ich als Oberbürgermeisterin mit der Verantwortung für nahezu 300.000 Augsburgerinnen und Augsburgern, eine große Erwartungshaltung an das, was die potentielle Ampelkoalition in Berlin verhandelt. Es geht nämlich um nichts weniger als die Sicherstellung der kommunalen Leistungsfähigkeit. Und damit um das „gute Zusammenleben“ und den sozialen Frieden in unserer Stadt und den zukünftigen Möglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürgern, egal welchen Alters.

Viele Punkte treiben uns Stadtoberhäupter landauf, landab um: Klimaschutz, Mobilität, Kinderbetreuung, bezahlbares Wohnen, sichere Arbeitsplätze und die Transformation unserer Unternehmen, Innenstädte, Bildung, Reformen der Verwaltung. Aber schlussendlich lässt sich auch vieles auf einen Nenner bringen: Ohne Moos nix los.

Klimaschutz wird auch und gerade vor Ort gemacht. Die Klimaresilienz von Städten, ein großes Thema. Wir müssen alles tun, um das 1,5° Ziel einzuhalten, aber wie sollen vor allem die großen notwendigen Maßnahmen dafür aus eigener Kraft finanziert werden?

Alle reden von nachhaltiger Mobilitätswende, aber ÖPNV ist in unserem Land teuer und weder die Kundinnen und Kunden noch die kommunalen Aufgabenträger können diese Lasten alleine schultern.

Ein Rechtsanspruch für die Betreuung von Grundschulkindern begrüße ich persönlich sehr, aber unabhängig davon, dass mir schleierhaft ist, mit welchem Personal diese Aufgabe erfüllt werden soll, müssen neben den Zuschüssen für die Investitionen auch die laufenden Betriebskosten mit abgesichert sein und nicht ausschließlich auf dem Stadtsäckel abgeladen werden.

Um bezahlbares Wohnen umzusetzen, müssen nicht nur die Förderinstrumente dafür zur Verfügung gestellt werden, es muss auch sichergestellt werden, dass überhaupt Grundstücke zu bezahlbaren Preisen von uns Kommunen genutzt werden können.

Unsere Unternehmen brauchen Hilfestellungen bei der Transformation hin zu einer klimaneutralen, aber wettbewerbsfähigen Produktion. Förderprogramme sind hier das Mittel der Wahl. Ansonsten gehen uns Arbeitsplätze verloren.

Die Innenstädte und Stadtteilzentren haben in der Corona-Pandemie schwer gelitten. Entwicklungen, die schon absehbar waren, haben in rasanter Geschwindigkeit Fahrt aufgenommen. Auch wenn es seit Menschengedenken schon immer Marktplätze und Orte gab, an denen sich Bürgerinnen und Bürger getroffen haben und Leben gelebt haben, so brauchen diese Orte gerade jetzt Hilfe und Unterstützung. Dies ist meiner Einschätzung nach auch ein sehr wichtiger Faktor für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, der gerade nach der Pandemie wieder gestärkt werden muss.

Digitale Bildung – während der Pandemie wurde uns allen bewusst, was für ein Fremdwort das in Deutschland ist. Und das in einem Land, das außer Bildung keine weiteren Rohstoffe hat. Alleine die Verantwortung auf die Träger der Schulen zu legen, in unserem Fall auf die Stadt Augsburg, wird nicht funktionieren.

Und Digitalisierung ist auch das Schlagwort, wenn es um die Reformen unserer Verwaltungen geht. Wir in Augsburg sind verhältnismäßig weit mit digitalen Angeboten für die Bürgerinnen und Bürger. Aber eine echte digitale Verwaltung, ohne Medienbruch, mit gut funktionierenden Schnittstellen in alle Richtungen ist noch ein frommer Wunsch.

Bei all den genannten Schwerpunkten sind aktuell viele Auswirkungen und Folgen der Pandemie noch gar nicht deutlich sichtbar. Die Langzeitfolgen werden wir – mal wieder – zuallererst bei uns in den Städten und Kommunen spüren. Und darauf müssen wir vor Ort reagieren – und dazu auch die finanziellen Spielräume haben.

Die Nagelprobe für gute Politik wird immer auf der untersten staatlichen Ebene sein. Hier vor Ort, in unserer Stadt ist das Heimatgefühl der Bürgerinnen und Bürger verankert. Wir sind der Ort, wo die Menschen leben, ihrer Arbeit nachgehen, ihre Freizeit verbringen. Und was hier in unserer Stadt passiert, bestimmt jeden Tag die individuelle Lebensqualität der Augsburgerinnen und Augsburger mit. Eine Bundesregierung – egal, welche Farben sie vereint – muss also immer Blick haben, was unten, dort wo die Menschen leben, auch wirklich ankommt. Und – und das sage ich jetzt als Präsidiumsmitglied des Deutschen Städtetages und als Vorstandsmitglied des Bayerischen Städtetages – sie tut gut daran, der Expertise und den Erfahrungen aus der Praxis vor Ort und damit der Kommunalpolitik ein Ohr zu schenken.

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